Die Straßenbahn in Gelsenkirchen
Die Straßenbahnen gehören zu unserem Betriebsgebiet wie der Deckel zum Topf: Es geht ohne, aber ganz ehrlich, wer will das schon? Seit vielen Jahren prägen sie die Stadtbilder. In Gelsenkirchen zum Beispiel ist die Straßenbahn seit 130 Jahren nicht mehr wegzudenken. Ihre ersten Jahre haben wir euch anlässlich dieses Jubiläums im folgenden Beitrag einmal zusammengefasst.
Von der Bauerngemeinde zur Industriegroßstadt
Gelsenkirchen erlebte zum Ende des 19. Jahrhunderts einen starken Einwohner*innenzuwachs, der letztlich dazu führte, dass die Gemeinde am 29. November 1875 Stadtrechte erhielt. Die Industrialisierung machte die Stadt immer attraktiver für Arbeitskräfte – sowohl aus der Region als auch aus den ostpreußischen Gebieten. Aus der mittelalterlichen Bauerngemeinde wurde so innerhalb kürzester Zeit eine wimmelnde Großstadt inmitten anderer ebenfalls stark anwachsender Städte wie Bochum oder Essen geworden.
Je bedeutender die Stadt für die Region wurde, desto wichtiger wurden moderne Mobilitätskonzepte. Denn bisher waren die meisten Menschen in Gelsenkirchen zu Fuß unterwegs, Reittiere und Kutschen waren die Seltenheit. Wer schneller im Nahbereich unterwegs sein wollte, nutzte die Postkutsche oder löste einen Fahrschein bei einem privaten Omnibusunternehmen. Aber die Taktfrequenz der Fahrten ließ zu wünschen übrig und genügte den Mobilitätsbedürfnissen der immer weiterwachsenden Stadt immer weniger. Eine Pferdebahn, die seit den 1870ern im Gespräch war, konnte trotz präziser Planungen und Konzepten nie umgesetzt werden. So konnte in den frühen 1890er Jahren die große Stunde der elektrischen Straßenbahn schlagen.
Die große Stunde der Straßenbahn
Nach der Zustimmung aller beteiligten Städte und Gemeinden beauftragte der Kreiskommunalverband Gelsenkirchen die Firma Siemens & Halske im Dezember 1893 mit dem Bau von vier Straßenbahnstrecken:
- Schalke – Gelsenkirchen – Ückendorf – Wattenscheid – Centrum – Bochum
- Gelsenkirchen – Wanne – Eickel – Riemke – Herne (anschließend an die bereits bestehende Straßenbahnlinie Bochum – Herne)
- Gelsenkirchen – Bahnhof Bismarck
- Gelsenkirchen – Steele
Bereits im April 1894 konnte Siemens & Halske die Planungen für Teilabschnitte der Strecken einreichen und bereits ein Jahr später begann die Verlegung der Gleise in der Wattenscheider Innenstadt.
Eine „Centrale“ für die kleinen Wagen
Gleichzeitig musste ein Betriebshof errichtet werden, in dem die Straßenbahnwagen abgestellt und gewartet werden konnten. Seinen Platz gefunden hat dieser an der heutigen Hauptstraße in der Gelsenkirchener Altstadt. Hier sind unsere Straßenbahnen in Gelsenkirchen auch heute noch beheimatet – 130 Jahre später. Der historische Betriebshof hatte allerdings eine Besonderheit, die unser Standort heute nicht mehr hat: Weil es zum Ende des 19. Jahrhunderts in Gelsenkirchen noch keine stabile Stromversorgung gab, die für den Betrieb der Straßenbahnen ausreichte, bot der Betriebshof zusätzlich Raum für ein kleines Kraftwerk angetrieben von zwei Dampfmaschinen. Das brachte dem Standort auch den inoffiziellen Namen „Centrale“.
Am 30. Juli 1895 traf dort der erste Straßenbahnwagen ein. Er war circa sieben Meter lang, etwa zwei Meter breit und bot Platz für 18 sitzende und 12 weitere stehende Fahrgäste. Der Fahrer befand sich stehend auf einer der beiden offenen Plattformen. Für den Betrieb der ersten beiden Straßenbahnlinien in Gelsenkirchen beherbergte die „Centrale“ zunächst 19 dieser Triebwagen und 15 Beiwagen.
Seit 130 Jahren elektrisch unterwegs
Am 3. November 1895 war es dann so weit: Die erste Straßenbahnstrecke in Gelsenkirchen ging in den Betrieb. Im 20-Minuten-Takt fuhren die kleinen Wagen die Haltepunkte zwischen dem Neumarkt in Gelsenkirchen und dem Bahnhof in Bismarck an. Kurz darauf, am 27. Dezember 1895, wurde die Strecke Schalke – Rheinischer Bahnhof Ückendorf (heute in der Nähe der Haltestelle Watermanns Weg) eröffnet. Damit war der Grundstein gelegt: Die ersten beiden Straßenbahnlinien schlängelten sich durch die Stadt.
Und noch während der Bauarbeiten für den Lückenschluss bei den geplanten Strecken, entschied sich Siemens & Halske dazu, am 13. Januar 1986 eine Aktiengesellschaft mit dem Namen Bochum-Gelsenkirchener Straßenbahnen Aktiengesellschaft zu gründen. Die Gesellschaft, die ursprünglich zum Zweck der Kapitalbeschaffung gegründet wurde, wurde in den folgenden Jahren mehr und mehr zum eigenständigen Betreiber der Strecken. Zum Jahresbeginn 1908 trennten sich dann die Wege von BOGESTRA und Siemens & Halske. Einzig die Versicherung, noch für 15 weitere Jahre die Fahrzeuge bei Siemens & Halske zu beziehen, blieb aus der Verbindung.
In dieser Zeit war das BOGESTRA-Netz in Gelsenkirchen weitergewachsen. Erschlossen wurden nun auch die Stadteile Bulmke, Hüllen, Rotthausen, Buer und Horst. Für die BOGESTRA und ihre Städte folgten herausfordernde Jahre – natürlich besonders geprägt von zwei Weltkriegen. Aber auch Meilensteine wie die Übernahme der Linien der Westfälischen Straßenbahn, der Stadtbahnbau und die regelmäßigen Modernisierungen des Fuhrparks prägen unsere Geschichte und damit auch die Geschichte der Straßenbahnen in Gelsenkirchen noch bis heute.
Guter Cliffhanger, oder? Zum Glück gibt es für alle, die jetzt gern wissen wollen, wie es weitergeht, die sorgfältig recherchierten Bücher von Andreas! Hier lese ich auch immer nach, wenn ich aus fast 130 Jahren BOGESTRA-Geschichte mal was vergessen habe.
Fotos: BOGESTRA Fotoarchiv










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