Zugsicherung und Zielsicherheit

Ein Nachmittag mit der Straßenbahnfahrschule Teil 1

„Hi! Marvin hier, wir würden gern mit dem Triebwagen 530 die Welt erkunden.“ Was für eine ungewöhnliche Art eine praktische Fahrstunde zu bezeichnen, denke ich. Wenige Minuten später erkenne ich dann, wie nah Fahrlehrer Marvin damit doch an der Wahrheit dran ist.

Ein ungewohnter Start

Aber fangen wir von vorne an: Ich habe mir vorgenommen, einen Tag mit unserer Straßenbahnfahrschule zu verbringen. Also sitze ich an einem Montag um 15 Uhr in unserem großen Schulungsraum an der Engelsburg. Um diese Zeit geht mein Arbeitstag normalerweise schon dem Ende entgegen – für Fahrlehrer Marvin und seine Schüler Mohamad, Pascal, Admir und Tim fängt er gerade erst an. Sie sind heute in der „Ausbildungsspätschicht“, die in der Regel gegen 17.30 Uhr anfängt und bis in die Nacht dauert. Weil ich dabei bin, starten wir heute ausnahmsweise früher.

Ich bin dafür ganz dankbar. Schichtarbeit bin ich nämlich nicht gewohnt. Deswegen gibt es für mich jetzt auch erstmal einen Kaffee. Ganz anders sieht es bei den vier Kollegen aus, die heute mit mir dabei sind. Sie sind allesamt schon Busfahrer, bringen viel Erfahrung mit und kennen zumindest schon unser Busnetz in- und auswendig. Nun lassen sie sich in drei Monaten zu Straßenbahnfahrern ausbilden. Als sogenannte Kombifahrer können sie dann vielseitig eingesetzt werden. Das ist den Vieren auch ganz besonders wichtig, denn nur noch eins von beidem fahren möchte keiner von ihnen.

Die Fahrschüler überlegen zusammen mit Fahrlehrer Marvin, welche Lösung die richtige ist.
Mohamad bearbeitet den Fragebogen zum Thema Zugsicherung.

Fahrlehrer Marvin: Erfahrung trifft Gelassenheit

Was es wirklich heißt, eine Straßenbahn zu fahren, weiß in der Runde aktuell noch einer besser als wir anderen: Fahrlehrer Marvin bringt fast zehn Jahre Berufserfahrung mit. Er hat 2015 – gleich nach seinem Schulabschluss – die Ausbildung zur Fachkraft im Fahrbetrieb (FiF) bei uns angefangen, ist dann Bus und Bahn gefahren, hat in der Ausfahrt und als Lehrfahrer gearbeitet. Seit einem Monat ist jetzt seine Ausbildung zum Fahrlehrer beendet und er darf ganz offiziell die zukünftigen Kolleg*innen im Straßenbahnbereich ausbilden. Ob er noch nervös ist vor so einer Schicht? Keine Spur. Er ist gut vorbereitet und nimmt, was da kommt, ganz locker. Was auffällt: Marvin ist deutlich jünger als die anderen. Aber das spielt in dieser Runde gar keine Rolle – hier zählt das Know-how und davon bringt er einiges mit.

Fahrlehrer Marvin wiederholt noch einmal das Thema Signale.

Von Tunneln, Signalen und anderen Stolperfallen

Dann geht‘s los. Thema heute: Zugsicherung. Erstmal gibt’s eine Lernstandsabfrage: „Wie war das noch gleich? Wofür haben wir denn unsere Zugsicherung?“, fragt Marvin in die Gruppe. „Damit wir reibungslos und sicher durch den Tunnel kommen.“, erwidert Admir wie aus der Pistole geschossen. „Nur durch den Tunnel oder gibt es auch oberirdische Streckenabschnitte mit Zugsicherung?“, hakt der Fahrlehrer nach. Natürlich gibt es die, aber ausschließlich auf der U35 CampusLinie.

Zugsicherung wird das System genannt, was dafür sorgt, dass die Bahnen gut und sicher die Tunnelstrecken befahren können. Zur Zugsicherung gehören zum Beispiel Signale, Geschwindigkeitsprüfer und Fahrsperren. Damit wird unter anderem geregelt, dass die Bahnen im Tunnel, wenn die Fahrer*innen nicht so weit sehen können, die richtigen Abstände halten. Die zentralen Prozesse der Zugsicherung laufen in unserem Stellwerk zusammen.

Euer ÖPNPfau

Puhhh – die ersten Fragen sind gemeistert. Aber es geht direkt weiter: Wer steuert eigentlich die Signale im Tunnel? Wie sind die Notausstiege dort gekennzeichnet? Und wo kommt man eigentlich hin, wenn man einem dieser Notausstiege folgt? Die Antwort: Nach oben! Okay, das ist logisch – aber da muss man auch erst mal drauf kommen…

Wie war das noch gleich? Mohamad überlegt.

Teamarbeit und Austausch

Mohamad, Pascal, Admir und Tim meistern die Fragen im Team: Sie tauschen sich aus, geben sich Hinweise und – na klar – den ein oder anderen neckischen Kommentar gibt’s natürlich auch. Das gehört eben dazu, wenn man so viel Zeit gemeinsam verbringt. Drei Monate dauert ihre Ausbildung insgesamt. Wenn sie dann die Prüfungen bestehen, geht es für sie mit der Bahn auf Tour – zunächst begleitet von einem*r Lehrfahrer*in, der*die sie in die Strecken einweist, dann ganz allein.

Einen Monat der Ausbildung haben die Vier schon hinter sich und „ich habe jetzt schon 120.000 Signale im Kopf“, scherzt Admir. Ganz so viele gibt es in unserem Betriebsgebiet natürlich nicht, aber trotzdem haben unsere Fahrschüler*innen einiges zu lernen. Weichenlagen, Zugsicherung, Signale, Fahrzeugdaten – in der schriftlichen Prüfung kann alles abgefragt werden, was in den letzten drei Monaten Thema war. Deswegen nutzen die Fahrschüler die Zeit mit ihrem Lehrer voll aus: „Können wir nochmal die Weichenarten durchgehen?“, fragt Pascal. „Na klar! Welche gibt es denn?“, erwidert Marvin.

Weichenlagen erkennen, das geht auch in Miniatur.
Theorie trifft Praxis: Mohamad zeigt den richtigen Schalter in der Bahn.

Lernen nach Maß

Mir wird in diesen drei Stunden Theorieunterricht vor allem eines klar: Die Fahrausbildung bei uns ist ziemlich individuell. Klar, am Ende müssen alle das Gleiche wissen. Aber auf dem Weg dahin, richten sich unsere Fahrlehrer*innen stark nach den Bedürfnissen ihrer Schüler*innen. Und am Ende nehmen alle etwas Neues mit oder haben bestehendes Wissen verfestigt.

Vom Klassenzimmer in den Fahrbetrieb

Aber wie einfach fällt es meinen Kollegen, dieses Wissen im echten Fahrbetrieb anzuwenden? Das finde ich im zweiten Teil meines Nachmittages mit der Straßenbahnfahrschule heraus – wenn es endlich heißt: ab aufs Fahrzeug.

Es ist schon eine ganze Menge dabei, wenn man Straßenbahnfahrer*in werden will! Aber zum Glück haben wir so tolle Kolleg*innen wie Marvin, die mit viel Zeit und Geduld ausbilden – auch im Busbereich. 14 Fahrlehrer*innen geben bei uns jeden Tag alles für die Ausbildung. Wenn ihr sie kennenlernen wollt, dann bewerbt euch doch bei uns unter bogestra.de/karriere.

Euer ÖPNPfau

Fotos: BOGESTRA/Wiciok

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Wir über uns

Rund 2400 Menschen sorgen bei der BOGESTRA an 365 Tagen im Jahr für Mobilität im Herzen des Ruhrgebiets. Mit ca. 400 Fahrzeugen sind wir städteübergreifend unterwegs. Von früh am Morgen bis spät in die Nacht bieten wir attraktive Verbindungen für unsere Fahrgäste und sorgen für den Pulsschlag der Region.

Autor

Imke
Juni 20, 2025

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